PANIK – Menschen draußen

Was ist das?
2019 habe ich während einer Künstler-Residency in Bergen (NO) begonnen, Material für ein Stück über das Verhältnis von Menschen und Natur zu sammeln, das sowohl das menschliche Bedürfnis nach enger Verbindung mit der Natur als auch das dazu oftmals in krassem Widerspruch stehende Verhalten in Bezug setzt. Wichtige Basis dafür sind Geschichten und Gedanken von „Menschen draußen“ – es wäre toll, wenn Ihr diesen Fragebogen ausfüllt!
Im Frühsommer 2023 wird nun endlich die Bühnenfassung dieser Arbeit am Brandenburger Theater herauskommen. Gemeinsam mit der finnisch-deutschen Schauspielerin Elna Lindgens, dem Musiker und Komponisten Hallam London und der Bühnenbildnerin Flavia Schwedler übersetzen wir die gewonnenen Materialien auf die Theaterbühne.
Wieso heißt das Stück „Panik“?
„Panik“ ist ein Begriff, der heute etwas ganz anderes meint als ursprünglich. Im Wortsinn beschreibt er das Gefühl, das uns draußen, in der freien Natur, manchmal packt: Das Wort beschreibt die Anwesenheit des Gottes Pan, des Herrschers über die ungezähmte Natur, über „alles“, denn das bedeutet das griechische Wort „pan“. Wir haben in diesen Momenten oft ein undefiniertes, mächtiges Gefühl, wir spüren eine Kraft, die uns gegenübersteht und von der wir nicht wissen, ob wir ein Teil von ihr werden können oder ob sie uns überrollt.
Schon seit langer Zeit teilen wir Menschen alles, was uns umgibt in „Nützliches“ und „Unnützes“ ein, und diese Kriterien sind meistens gekoppelt an Messbarkeit und Wirtschaftlichkeit. Es war und ist das Ziel des Menschen, die Natur zu unterwerfen und auszubeuten – „nützlich“ zu machen – anstatt sich in sie einzuordnen. Entfremdung und Zerstörung sind die Ergebnisse, viele Menschen haben eine diffuse Sehnsucht, wieder mit der Natur verbunden zu sein, kommen aber aus den gelernten Mechanismen nicht raus.
Ich nutze die Resultate dieser Recherche als Basis für die Entwicklung einer neuen Performance. Wir stellen uns der großen Frage: Ist es möglich, die Entfremdung zu überwinden und unseren Platz in der Natur wiederzufinden, ein Teil von „allem“ zu sein? Oder einfach gefragt: Kann Pan ein Freund sein?
Ein bisschen Hintergrund
Der Wald und die freie Natur sind seit jeher Orte, die die Menschen einerseits suchen und die ihnen andererseits Angst machen. Seit der Deutschen Romantik ist das Stichwort „Waldeinsamkeit“ Sinnbild für die Sehnsucht nach dem nahen Kontakt zur Natur. In Japan wird „Shinrin Yoku“ verschrieben, das „Waldbaden“, weil der Herzschlag im Wald langsamer wird und Menschen wieder mit sich selbst in Kontakt kommen können. Gleichzeitig wird weltweit immer weiter Wald zerstört und es scheint immer noch Ziel des Menschen zu sein, die Natur zu unterwerfen anstatt sich in sie einzuordnen.
In den vergangenen Jahren habe ich dramaturgisch an der deutschen Erstaufführung der Oper „Blond Eckbert“ (Ludwig Tieck/Judith Weir) durch die Berliner Kammeroper mitgearbeitet, die die „Waldeinsamkeit“ der Romantik in Form eines kryptischen Kunstmärchens thematisiert. 2017 konnte ich mit „Lendas Amazônicas“ eine Performance zu den Mythen und Märchen des Amazonas-Gebiets entwickeln und (gefördert durch die spartenoffene Förderung Berlin/„City Tax“) im Berliner Podewil zur Premiere bringen.
Auch Norwegen ist ein Land, das seine Naturverbundenheit förmlich zur Schau stellt. Man ist viel draußen, man wandert und fischt, man bezieht sich auf alte Mythen und Geschichten und behauptet eine starke Verwurzelung darin. Gleichzeitig ist auch in Norwegen der Umgang mit Natur überaus ambivalent, wirtschaftliche Interessen konkurrieren auch hier mit dem Bemühen um Nachhaltigkeit. Was bedeutet „Natur“ wirklich für heutige Menschen? Ist die Entfremdung, die viele Menschen heute von der Natur empfinden, reversibel? Ist es möglich, die Ambivalenz unseres Verhältnisses zur Natur zu überwinden, die menschliche „Panik“ im oben erläuterten Sinn in ein positives Gefühl umzuwandeln, das den Wunsch, zu bewahren in den Vordergrund stellt und die Menschen (wieder) als Teil der Natur und nicht als ihre Bezwinger begreift?
Gefördert wird das Projekt von den Freundinnen und Freunden der Heinrich-Böll-Stiftung, dem Goethe Institut Norwegen und der Deutschen Botschaft in Oslo. Träger der Residency ist die USF Bergen.
English version:
PANIC – humans in nature
Artistic research for a new performance
Participate in the project by replying to a questionnaire!
The project „Panic – humans in nature“ looks for nothing less than a new relationship with and to the nature we live in. The performance is expected to take place in 2020, and it will be realized with stage designer Flavia Schwedler, the german-finnish actress Elna Lindgens and one or two more performers.
„Panic“ is a term currently associated with stress in today’s civilized society. Literally, however, it refers to the feeling that sometimes overcomes us in the wild. The word describes the presence of the god Pan, the ruler of the forests and the natural world. In moments such as these, we often experience a strong, undefinable terror. We are unsure if the power that confronts us will embrace or annihilate us.


Wild, natural environments have always fascinated mankind on one hand, and on the other, inspired fear. Since the german romantic era, the expression „Waldeinsamkeit“ has been a symbol for man’s desire for close communion with nature. The japanese term „Shinrin Yoku“ can be loosely translated as „bathing (or immersed) in forest“ since the heart rate slows and one can come into contact with one’s inner self in such serene surroundings. Adversely, forests are continuing to be destroyed all over the planet. It seems that the goal of the human race is still to bend nature to its own purposes instead of just taking our place in the natural order. Was this always the case?
In recent years, I worked on the German premiere of the opera „Blood Eckbert“ (Music: Judith Weir/Text: Ludwig Tieck) in which the theme of „Waldeinsamkeit“ is presented in the form of a cryptic fairy tale. In Berlin in 2017, I developed a performance called „Lendas Amazônicas“ (Music: Waldemar Henrique) about the myths of native people of the Amazon.
I used the research phase in Bergen to find out if there’s a way to overcome today’s alienation from nature, to reconnect and to – maybe – find a way to re-embrace our position in nature. Or to put it in a simple question: Is it possible to become friends with Pan?
I’m looking for stories – where people had a moment of “panic” (meaning a moment where they felt really overwhelmed in a wild environment, in a positive or a negative way) or places to visit, where such experiences occurred.
Please reply to my questionnaire here and become part of this project!
The project is funded by Freundinnen und Freunden der Heinrich-Böll-Stiftung, Goethe Institut Norwegen and the German Embassy in Oslo. The residency is takig place at USF Bergen.
